100 Jahre Frauenwahlrecht – Ist das für Sie ein Grund zum Feiern?

Diese Frage haben wir den unterschiedlichsten Frauen aus unserem Netzwerk gestellt und spannende Statements bekommen.

elektro SchmeerCarmen Lehnert-Schmeer, Kfm. Leitung bei Elektro Schmeer und 1. Vorsitzende von Frau & Handwerk Saarland e.V.

„Das Frauenwahlrecht war ein wesentlicher Schritt zur Gleichberechtigung. Bis 1958 hatten Männer das Alleinentscheidungsrecht über Finanzen, Wohnort und die Berufstätigkeit ihrer Ehefrau. Ohne Frauenwahlrecht wäre es auch zur gesetzlichen Gleichberechtigung erst später gekommen.

Für unsere Generation ist dies alles selbstverständlich. Die Hälfte der Welt gehört den Frauen. Sie haben alles Recht auch politisch aktiv und zu Entscheidungsträgerinnen zu werden. Den mutigen Frauen, die dafür kämpften, sind wir noch lange zu größtem Dank verpflichtet.

Ist das Jubiläum ein Grund zum Feiern? Wenn Feiern bedeutet: ausgelassen über Erfolge zu jubilieren – nein. Wenn Feiern bedeutet: ins Bewusstsein zu rufen, zu erinnern, dankbar zu sein und weiter zu kämpfen – ja.“


Heike Trapp, Geschäftsführung Axel Trapp Elektro-Anlagenbau GmbH & Co. KG, 2. Vorsitzende von Frau & Handwerk Saarland e.V und Pressesprecherin des Bundesverbandes der Unternehmerfrauen im Handwerk UFH

Am 19. Januar 2019 feiern wir 100-jähriges Frauenwahlrecht in Deutschland. Das ist ein Meilenstein in der Geschichte der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.

100 Jahre ist eine lange Zeit, dachte ich mir, und viel ist in dieser Zeit geschehen, und die Geschichten meiner Großmutter und Mutter sind halt Geschichten; Hey geschenkt, wir sind modern. 

Aber nein, eigentlich nicht, denn die Liste der Dinge, die Frauen einst nicht durften und uns mittlerweile erlaubt sind, ist lang.

Ein paar Beispiele:

  • wir dürfen seit 1900 studieren
  • wir dürfen seit 1908 einer Partei beitreten und Abitur machen
  • wir dürfen seit 1958 ohne Erlaubnis des Mannes Autofahren
  • wir dürfen seit 1962 ein Bankkonto eröffnen
  • wir dürfen seit 1977 arbeiten gehen – unabhängig von der Erlaubnis des Ehemannes, usw.

Alle obigen Sätze beginnen mit „wir dürfen“, und das ist falsch. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Lernen wir aus der Geschichte:

Als erste Abgeordnete der Weimarer Nationalversammlung sprach die Sozialdemokratin Marie Juchacz aus Berlin: „ich möchte hier feststellen … dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden war.“

Das aktive und passive Wahlrecht wurde den Frauen von Männern gewährt. 
Aber erstritten – erkämpft! – haben es sich die Frauen selbst.
Frauen wie Marie Juchacz, Hedwig Dohm ,Anita Augspurg, Clara Zetkin, Marie Stritt haben unsere Welt verändert. Diesen Frauen gebührt mein Dank .

Erst wenn Frauen und Männer wirklich frei entscheiden können, wo sie die Prioritäten in ihrem Leben setzen wollen, ohne auf Beruf oder Familie oder gesellschaftliches Engagement zu verzichten, ist das Ziel der Gleichstellung von Mann und Frau erreicht. Jedoch kenne ich so viele starke selbstbewusste Frauen in diesem Land, und ich bin mir sicher, diesen Frauen gelingt diese Gleichstellung.

Ich bin mir sicher dass, meine Töchter nicht auf 100 Jahre zurückblicken müssen, mit der Gewissheit dass noch nicht alles getan ist. Sie werden ihren Töchtern dann tatsächlich nur noch Geschichten erzählen.

Die Zukunft gehört jeder einzelnen Frau und jedem Mann die sich dafür einsetzten und einsetzen werden, dass Gleichberechtigung selbstverständlich ist.

Feiern wir eine Selbstverständlichkeit.“


Anja Wagner-Scheid, Vorsitzende der Frauen Union Saar

„100 Jahre Frauenwahlrecht. Ein Grund zu feiern – aber zu bilanzieren, wo wir heute stehen. Es gibt zu wenig Frauen in den Parlamenten. Deshalb fordere ich 50:50!“  


veronica wirthVeronica Wirth, Persönlichkeitstrainerin und Expertin für Bewegung

„100 Jahre Frauenwahlrecht ist ja wirklich ein Wimpernschlag, und es ist unglaublich für unsere Generation, dass es vorher anders gewesen sein soll. Ein absurder Gedanke in der Neuzeit, dass Frauen weniger das Recht zu wählen haben sollten als Männer. Daher könnte man sagen: Wenn diese Entscheidung so groß gefeiert wird, bauschen wir das Ganze nicht vielleicht sogar auf und machen es wieder besonderer, als es eigentlich sein sollte? Wäre die Gleichberechtigung wirklich gegeben, müsste darüber eigentlich nicht gesprochen werden. Daher gehört die Info, dass wir erst seit 100 Jahren so weit sind, vielleicht mehr in den Geschichtsunterricht als in die Gesellschaft.“ 


 Prof. Dr. Nicole Schwarz
Allgemeine BWL und Marketing
Studiengangsleitung Master Kulturmanagement htw saar

„100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland – der erste große Schritt in Richtung Gleichberechtigung der Frau in Gesellschaft, Ökonomie und Politik. Das ist ein Grund zum Feiern…und auch zum Reflektieren. Gleichberechtigung ist heute zwar formal vorhanden, doch im Alltag und in vielen Köpfen sieht es oft noch immer anders aus – es bleibt also noch immer viel zu tun für eine echte Gleichwertigkeit der Geschlechter und eine Gesellschaft in Balance – Gehen wir also zielstrebig den Weg weiter und nicht wieder zurück! Gehen wir weiter in eine Zukunft ohne Gewalt, dafür mit gegenseitigem Respekt, Toleranz und Chancengleichheit – und das gilt nicht nur im Hinblick auf Männer und Frauen, denn „alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ (Artikel 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte). „


Nadine Robert, selbständig in der Unterstützung von Unternehmen, die in Westafrika Fuß fassen wollen /Africa Expert

„100 Jahre Frauenwahlrecht – wenn es dies nicht gäbe, sollten wir heute dafür kämpfen und es erreichen. Weil Frauen jahrhundertelang immer unterdrückt wurden, scheint jedes einzelne erworbene Frauenrecht nur als „besonders“ zu gelten.

Aus meiner Sicht muss das Frauenwahlrecht einerseits als ein Aspekt der globalen Entwicklung gesehen und gefeiert werden, so wie die Erfindung des Telefons und der Elektrizität als wichtiger Schritt in der modernen Ära der Menschheit.

Andererseits muss dieses Frauenwahlrecht auch deshalb zelebriert und gewürdigt werden, weil viele Männer und Frauen Opfer für dieses Ergebnis gebracht haben. In einer globalisierten Welt dient diese Erinnerung heute und für zukünftige Generationen, um stets neue heldenhafte Taten weltweit zu entdecken.“


Heidemarie Müller, langjährige Protokollchefin der saarländischen Staatskanzlei

Klares „Ja“.
Ich feiere die mutigen Frauen, die trotz Hohn, Spott, Beleidigungen und Verleumdungen couragiert und unbeirrt für das Frauenwahlrecht gekämpft haben.

Und das nicht etwa in der Steinzeit oder im Mittelalter, sondern „erst“ vor 100 Jahren … gar nicht so lange her!

Annelie Scherschel, selbstständig mit KunstLicht Annelie Scherschel, Lichtplanung & Kunstberatung, Fachgeschäft für Lichtdesign

„Eigentlich ist 100 Jahre Frauenwahlrecht für mich kein Grund zu feiern, weil es etwas Selbstverständliches sein sollte. Es sollte vielmehr eine Erinnerung daran sein, dass in vielen Fällen Frauen und Männer immer noch nicht die gleichen Rechte haben.“ 


Dr. Kathrin Bergenthal, Beraterin für berufliche Integration von Flüchtlingen, Produzentin von innovativen Lern- und Kommunikationsformaten bei Bergenthal Beratung

„Das Frauenwahlrecht ist für mich ebenso selbstverständlich wie wichtig, um rechtliche Rahmenbedingungen für eine frauenfreundliche Gesellschaft zu schaffen. Es bedeutet aber auch, dass Frauen für die Demokratie in Stadt, Land, Bund und Europa Verantwortung tragen. Ich bin das erste Mal wenige Tage nach meinem 18. Geburtstag zur Europawahl gegangen und habe eine Partei gewählt, die schon damals, 1985, paritätische Kandidat*innen-Listen aufstellte.“


Maler PfennigVerena M. Pfennig, Betriebswirtin im Handwerk & Raumgestalterin bei Maler Pfennig

„100 Jahre Wahlrecht, eine Feier zu Ehren der Frauen, die uns stolz zurückblicken lassen. Sie legten den Grundstock, auf dem wir nun weiterkämpfen. Damit wir zu gleichen Teilen in der Politik und Wirtschaft anerkannt werden, damit wir gleiche und auch gleichwertige Arbeiten ausführen können, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf machbar wird und damit der soziale Bereich stärker gewichtet und aufgewertet wird. Es sind noch viele Schritte zu gehen bis zur echten Gleichberechtigung und auch bis die Rolle der Frau in der Geschichte angemessen gewürdigt wird. Daher dürfen Meilensteine wie die Einführung des Frauenwahlrechts nicht in Vergessenheit geraten.

Für meine Generation ist es normal wählen zu dürfen. Ich persönlich habe selten eine Ungleichbehandlung wegen meines Frau-Seins wahrgenommen. Doch ich weiß von anderen, dass Ungleichheit immer noch in vielen Bereichen und gerade im Beruf alltäglich ist. Deshalb müssen wir weiterkämpfen und auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen!“ 


Ursula Schulz, Ursula Schulz Personalmanagement

„Als Gesellschaft sind wir nur so fortschrittlich wie unsere Rollenbilder. Daher heißt es: Wachsam bleiben und immer wieder fragen: Wo stehen wir heute? Und wo wollen wir morgen stehen? Gehen wir in die richtige Richtung?“


Marion Bredebusch, Trainerin im Bereich Gender, BREDEBUSCH – Institut für Kommunikation und Kompetenz

„Jeder Fortschritt ist ein Grund zu feiern. Ich bin seit ich 16 Jahre bin frauenpolitisch aktiv, und das sind nun 37 und noch nicht 100 Jahre. Es gibt noch so viel zu tun, und mir ist wichtig die Erfolge zu sehen und zu feiern und nicht zu jammern, was wir noch nicht erreicht haben. Im Augenblick finde ich super, dass sich endlich wieder viele junge Frauen durch die #meetoo Debatte engagieren, denn viele Veranstaltungen und Themen passten nicht für die. Mir selber ist mit meiner Arbeit wichtig, Frauen zu stärken, dass sie sich erlauben groß zu sein und groß zu denken und sich zu zeigen. Ich arbeite auch viel mit Opfern, sei es bei sexueller Belästigung oder auch Stalking – und wenn die Betroffenen es schaffen, diese Erlebnisse für sich zu verarbeiten, können sie sogar daran wachsen. Also auf der individuellen Ebene geht auch vieles – doch die Strukturen und das Bewusstsein verändern, das verändert. Besonders wirksam finde ich Gender-Trainings, denn da habe ich schon unendlich viele männliche Teilnehmer mit AHA-Effekten gehabt – raus aus dem blockierenden Denken – rein ins Miteinander. Vor kurzem habe ich ein Barcamp #Feminismus moderiert und ich fand klasse, dass da auch Männer sich engagiert haben in die Richtung – für ein neues Miteinander – auch darum geht es heute.“


Heike Neurohr-Kleer, Kommunale Frauenbeauftragte – Gleichstellungsstelle, Landkreis Neunkirchen

„Ich feiere die mutigen Frauen, die das Wahlrecht für uns erkämpft haben! Und ich weiß, dass wir noch einige Steine auf dem Weg der Gleichstellung vor uns haben.“ 


Elisabeth Hessedenz, Projektleiterin unternehmensWert:Mensch, saaris | saarland.innovation&standort e. V.

„100 Jahre Frauenwahlrecht – ein mühsamer und harter Weg – und für diese Gleichberechtigung haben mutige Frauen gekämpft. Aber wo stehen Frauen heute? Können wir von echter Gleichstellung sprechen? Nach wie vor fällt es noch immer in vielen Bereichen schwer, patriarchale Strukturen aufzubrechen und Rollenstereotypen abzubauen. Deshalb brauchen wir heute wie damals couragierte Frauen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die deutlich machen, dass Gleichstellung und Chancengerechtigkeit in Führungspositionen genauso selbstverständlich sein müssen wie das Recht zu wählen. Es ist noch viel Luft nach oben, packen wir es an!“

Alexandra Karr-Meng, Personal- und Organisationsberaterin,
Systemischer Management Coach
(Foto: Jennifer Weyland)

„Das Frauenwahlrecht war elementar für die Gleichberechtigung und legte die Grundlage für viele Dinge, die längst alltäglich geworden sind. Dieses Jubiläum ist allerdings nur ein Zwischenschritt, denn in vielerlei Bereichen ist die Gleichberechtigung noch nicht angekommen. Wir bleiben dran.“


Katja Hobler, Unternehmensleitung bei Markus Glöckner Natursteine

„Ja – aber weniger das in meinen Augen selbstverständliche Recht, als vielmehr die Frauen und Männer, die für dieses Recht gestritten, gekämpft und Opfer gebracht haben.

Und nein – weil viele Aspekte der Gleichstellung selbst im 21. Jahrhundert noch immer nicht selbstverständlich sind, wie z.B. gleiche Entlohnung.

Ja – denn dieser Meilenstein hat viele andere Steine ins Rollen gebracht, nicht nur für die Gleichstellung der Frau, sondern die von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen überhaupt.

Und nein – weil reaktionäre Kräfte wieder aus ihren Löchern kriechen und versuchen, diese gemeinsamen Errungenschaften zu diskreditieren.

Gleichstellung und Gleichberechtigung aller Menschen zu erreichen bleibt unsere Aufgabe. Soll uns dieser Gedenktag so oft daran erinnern, wie es notwendig ist.“


Tamara Enhuber, Koordinatorin sklavenlos! Bündnis gegen globale Sklaverei heute
„Menschenrechte haben kein Geschlecht, sagt Hedwig Dohm.
 Ich danke allen Frauen, die sich – öffentlich wie auch in ihren privaten Kreisen – der Lächerlichkeit, Beschimpfungen und Bedrohungen preisgaben, um das Frauenwahlrecht in Deutschland wie anderswo zu erstreiten. Dieses Recht bedeutet(e) noch lange keine umfassende Anerkennung der Gleichwertigkeit von Frauen in den Köpfen und Herzen einer Gesellschaft, aber es ist die Grundvoraussetzung für Selbstbestimmung. Es bedeutet sowohl einen sich im Prozess weitenden Raum für die Entwicklung der Potenziale jeder (aber auch jedes) Einzelnen, als auch die Möglichkeit, politische Entscheidungen in Bezug auf Gesellschaft, Staat und Wirtschaft – und damit die grundlegenden Weichenstellungen, in welcher Welt wir leben und wie wir miteinander und mit Tier und Erde umgehen –  mitzubestimmen und mitzugestalten. Darin lag schon immer Chance und Verantwortung – angesichts aktueller Entwicklungen heißt das für uns, die wir dieses Recht geschenkt bekommen haben, dass wir uns, jede*r in all ihren*seinen Wirkungskreisen, auf allen Ebenen dafür stark machen müssen, dass die Menschenrechte für Menschen jeglichen Geschlechts gleichermaßen geachtet werden, wie im übrigen auch unabhängig von Hautfarbe, sozialer oder nationaler Herkunft, Sprache, Religion, Überzeugung, Alter oder Eigentum.“

 

 


Goldschmiede EckardtSophie M. Eckardt-Lischer
Goldschmiedin, Diamantgutachterin bei Goldschmiede Eckardt, 
1. Vorsitzende Berufsverband Handwerk Kunst Design Saar e.V.

„Für mich als junge Frau war es selbstverständlich den Beruf wählen zu können, den ich mir selbst ausgesucht habe. Als ich geheiratet habe, war es für mich selbstverständlich die gleichen Rechte zu haben wie mein Mann. Als junge Mutter ist es für mich selbstverständlich unseren Sohn so zu erziehen, dass er alle Geschlechter als gleichberechtigt wahrnimmt.

100 Jahre Frauenwahlrecht ist für mich der erste Meilenstein auf einem langen Weg zur Gleichberechtigung. Schon ein Grund zu feiern – doch es gibt noch einiges zu tun.“